Weil ein Arbeitnehmer es abgelehnt hat, sich auf die Infektion mit dem Coronavirus testen zu lassen, hat er eine verhaltensbedingte Kündigung erhalten. Der Arbeitnehmer legte dagegen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg ein und hatte Erfolg. Das Gericht entschied, dass die verhaltensbedingte Kündigung unwirksam ist. Doch bedeutet das nicht, dass andere Fälle dieser Art genauso ausgehen müssen.
Arbeitnehmer lehnt Corona-Tests des Arbeitgebers ab
Der Arbeitgeber erbringt Leistungen im Bereich der Personenbeförderung in HH. Der Arbeitnehmer ist dort als Fahrer angestellt. Im Arbeitsvertrag ist geregelt, dass der Arbeitnehmer das Fahrer-Handbuch strengstens zu befolgen hat.
Der Arbeitnehmer war in Kurzarbeit Null. Er sollte am 01.06.2021 nach Beendigung der Kurzarbeit seine Arbeit wieder aufnehmen. Zwischenzeitlich hat der Arbeitgeber das Handbuch angepasst. Danach sollen die Fahrer regelmäßige Corona-Selbsttests durchführen. Auch stand dort:
„An deinem ersten Arbeitstag wird vor Schichtbeginn ein Test vor Ort unter Aufsicht durchgeführt.“
Der Arbeitnehmer lehnte diesen Test am 01.06.2021 vor Arbeitsaufnahme ab ab. Außerdem verweigerte er die Mitnahme der Test-Kits, die ihm der Arbeitgeber zur Verfügung gestellt hat. Daraufhin stellte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den 01.06.2021 unbezahlt von der Arbeit frei.
Dieses Verhalten des Arbeitnehmers wiederhole sich auch am 02.06.2021 sowie am 03.06.2021 und resultierte letztlich in einem Hausverbot und der Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Verweigerung von Corona-Tests: Verhaltensbedingte Kündigung rechtswidrig
Das Gericht befasste sich zunächst ausführlich mit der Frage, ob die Anordnung der Durchführung von Corona-Schnelltests im Arbeitsverhältnis rechtmäßig sind. Diese Frage bejahte es mir ausführlicher Begründung und stellte heraus, dass die Anordnung vom arbeitgeberseitigen Direktionsrecht gedeckt sei. Denn die Intensität des Eingriffs in die körperliche Integrität des Arbeitnehmers sei äußerst gering, da lediglich ein Abstrich im vorderen Nasenbereich vorgenommen werde.
Auch die mit der Testung verbundenen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht seien von geringer Intensität gewesen. Wohingegen der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgeverpflichtung aus § 618 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchG gegenüber Mitarbeitern hinsichtlich ihrer Gesundheit ein deutliches überwiegendes Interesse vorbringen könne.
Trotz Rechtmäßigkeit der Testanordnung durch den Arbeitgeber war die von ihm ausgesprochene verhaltensbedingte Kündigung unwirksam. Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer nämlich nicht vorher abgemahnt bzw. eine Abmahnung konnte nicht zur Gewissheit des Gerichts festgestellt werden. Die vorherige Abmahnung war aus Sicht des Gerichts zwingend erforderlich, da sie als milderes Mittel „𝘨𝘦𝘦𝘪𝘨𝘯𝘦𝘵 𝘶𝘯𝘥 𝘢𝘶𝘴𝘳𝘦𝘪𝘤𝘩𝘦𝘯𝘥 𝘨𝘦𝘸𝘦𝘴𝘦𝘯 [𝘸ä𝘳𝘦], 𝘣𝘦𝘪𝘮 𝘒𝘭ä𝘨𝘦𝘳 𝘬ü𝘯𝘧𝘵𝘪𝘨𝘦 𝘝𝘦𝘳𝘵𝘳𝘢𝘨𝘴𝘵𝘳𝘦𝘶𝘦 𝘻𝘶 𝘣𝘦𝘸𝘪𝘳𝘬𝘦𝘯“.
Ablehnung von Corona-Tests kann zur Kündigung führen
Aus meiner Sicht hat das Gericht korrekt entschieden und die Argumentation ist auch überzeugend. Eine Kündigung ist stets das letzte Mittel. Es ist nicht auszuschließen, dass eine vorherige Abmahnung eine Änderung des Verhaltens des Arbeitnehmers herbeigeführt hätte. Denn eine korrekte Abmahnung signalisiert dem Arbeitnehmer: „Dein Arbeitsverhältnis steht auf dem Spiel.“
Hier zeigt sich einmal mehr, wie wichtig die Abmahnung im Arbeitsverhältnis ist. Und zwar nicht nur irgendeine Abmahnung, sondern eine solche, die auch wirksam ist. Für den Arbeitnehmer bieten sich regelmäßig gute Angriffspunkte gegen eine Kündigung, wenn der Arbeitgeber vorher keine Abmahnung ausgesprochen hat. Das wissen wir als Anwälte für Kündigungen nur allzu gut.
Das Urteil bietet jedoch keinen Freifahrtschein, arbeitgeberseitige Testanordnungen zu ignorieren. Ganz im Gegenteil. Denn das Gericht hat die Verweigerung von Corona-Tests ganz grundsätzlich als arbeitsvertragliche Pflichtverletzung gewertet. Die Kündigung scheiterte letztlich an der Verhältnismäßigkeit, nicht an einer fehlenden Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.