Alle Informationen über die krankheitsbedingte Kündigung – Antworten auf Ihre Fragen
Vermutlich lesen Sie diese Zeilen, weil Sie zuletzt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr richtig arbeiten konnten. Das hat Ihr Arbeitgeber womöglich zum Anlass genommen, Ihnen nun ordentlich zu kündigen. Oder eine krankheitsbedingte Kündigung steht Ihnen bald bevor. Allzu verständlich, dass die Situation Sie belastet und Sie nun nach verlässlichen Informationen darüber suchen, ob der Arbeitgeber überhaupt das Recht hat, Ihnen zu kündigen. Im Vordergrund dürfte für Sie Frage stehen, wie Sie mit der Kündigung umgehen sollten. Und ob vielleicht eine Abfindung möglich ist.
In diesem Beitrag möchte ich, Anwalt für Arbeitsrecht in Hamburg, Sie bestmöglich über das Thema krankheitsbedingte Kündigung informieren. Sie erhalten unter anderem Hinweise darüber,
- was die krankheitsbedingte Kündigung für Sie bedeutet,
- ob die Kündigung voraussichtlich wirksam ist,
- was Sie gegen die Kündigung tun können und
- ob Sie Anspruch auf eine Abfindung haben.
In diesem Beitrag steckt sehr viel Wissen und Sorgfalt. Ich habe für Sie sehr viele Urteile recherchiert, damit Sie sich bestmöglich informieren können. Alle relevanten Urteile habe ich verlinkt. Ich lade Sie ein, zumindest bis zum praktischen Teil zu lesen. Dann werden Sie wissen, was Sie jetzt tun sollten.
Haben Sie eine Kündigung erhalten? Wir unterstützen Sie bei Ihrer Kündigung vollumfänglich.
Ja, ich benötige einen Anwalt für KündigungsschutzInhaltsverzeichnis
- So prüfen Gerichte die krankheitsbedingte Kündigung von Arbeitnehmern
- In diesen Fällen liegt eine negative Gesundheitsprognose vor
- Zentrale Frage: Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen?
- Interessenabwägung muss zu Ungunsten des Arbeitnehmers ausfallen
- Betriebliches Eingliederungsmanagement – Folgen des Unterlassens
- Was Sie gegen die krankheitsbedingte Kündigung tun können
- Wann eine Klage Sinn macht – die Sache mit der Abfindung
Prüfung: Krankheitsbedingte Kündigung von Arbeitnehmern
Die krankheitsbedingte Kündigung stellt einen Unterfall der ordentlichen personenbedingten Kündigung dar. Der Arbeitnehmer ist aus Gründen einer Erkrankung nicht mehr imstande, die von ihm verlangte Arbeit zu leisten. Sie müssen immer dann an eine krankheitsbedingte Kündigung denken, wenn es durch die Erkrankung und die damit verbundenen Ausfallzeiten zur erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers kommt. Die Erkrankung an sich spielt aber keine Rolle, wenn sie sich am Arbeitsplatz nicht auswirkt.
Da es sich bei der krankheitsbedingten Kündigung um einen in der Regel nicht steuerbaren Sachverhalt handelt, ist eine vorherige Abmahnung keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Einige Instanzgerichte haben das aber zum Teil anders beurteilt, wenn Erkrankungen durch steuerbares Verhalten, zum Beispiel Einnahme von Medikamenten, beseitigt werden können.
LAG Hessen, Urteil vom 18.03.2014 – 13 Sa 1207/13
Wie die personenbedingte Kündigung wird auch die Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung in drei Schritten geprüft:
(1) Negative Gesundheitsprognose: Es muss eine negative Prognose hinsichtlich der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegen.
(2) Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen: Durch die Ausfallzeiten und die noch zu erwartenden Ausfallzeiten muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vorliegen.
(3) Interessenabwägung: Im Rahmen einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung ist zu prüfen, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren Belastung des Arbeitgebers führen.
Auf jeder der genannten Prüfungsstufen für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung ergeben sich Fragen und Probleme. Ich zeige Ihnen nachfolgend die wichtigsten Maßgaben der Rechtsprechung auf.
In diesen Fällen liegt eine negative Gesundheitsprognose vor
Die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung setzt zunächst einmal eine negative Gesundheitsprognose voraus. Der Arbeitgeber muss auf der Grundlage objektiver Tatsachen zu dem Ergebnis kommen, dass die Besorgnis weiterer krankheitsbedingter Ausfallzeiten im bisherigen Umfang begründet ist.
Diese objektiven Tatsachen sind in der Regel die Krankheitszeiten in der Vergangenheit, da dem Arbeitgeber regelmäßig keine anderen Daten zur Verfügung stehen. Nach der Rechtsprechung haben die Ausfallzeiten in der Vergangenheit hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose keine unmittelbare Aussagekraft. Ihnen komme jedoch Indizwirkung für die Zukunftsprognose zu.
Die Rechtsprechung unterscheidet bei der Beurteilung, ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt, zwischen
- häufigen Kurzerkrankungen,
- langandauernden Erkrankungen,
- dauernder Arbeitsunfähigkeit und
- krankheitsbedingte dauerhafte Leistungsminderung.
Häufige Kurzerkrankung
Auch bei häufigen Kurzerkrankungen müssen objektive Tatsachen gegeben sein, die den Schluss zulassen, dass Erkrankungen im bisherigen Umfang auch zukünftig auftreten werden. Die Kurzerkrankungen in den letzten Jahren sind dabei ein wesentliches Indiz dahingehend, dass auch in Zukunft mit einem ähnlichen Krankheitsverlauf zu rechnen ist.
Der Arbeitgeber genügt im Prozess seiner Darlegungs- und Beweislast, indem er die Krankheitszeiten in der Vergangenheit vorträgt und behauptet, dass ähnliche Krankheitszeiten in der Zukunft zu erwarten sind. Sodann muss der Arbeitnehmer, gegebenenfalls durch die Entbindung seines Arztes von der Schweigepflicht, beweisen, weshalb seine Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der Kündigung positiv war.
Der Arbeitgeber dringt mit seiner krankheitsbedingten Kündigung hingegen nicht durch, wenn die Erkrankungen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits ausgeheilt waren.
Auch wenn es sich nicht um Erkrankungen handelt, die einen einmaligen Charakter haben, wird der Arbeitgeber mit seiner krankheitsbedingten Kündigung nicht erfolgreich sein. Ebenso verhält es sich bei Erkrankungen, die auf einmaligen Ursachen wie einem Sportunfall mit Verletzungsfolge beruhen. Auch einmalige Gesundheitsschäden, die womöglich demnächst durch eine Operation behoben werden, rechtfertigen keine krankheitsbedingte Kündigung.
BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13
Auf der anderen Seite spielt es für die negative Prognose keine Rolle, ob den Erkrankungen unterschiedliche Krankheitsursachen zugrunde liegen. Hier das Bundesarbeitsgericht:
Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert. […] Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen – etwa Erkältungen – ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen.
BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13
Langandauernde Krankheit
Im Unterschied zu häufigen Kurzerkrankungen gründet sich die negative Gesundheitsprognose bei einer langandauernden Erkrankung auf der Erkrankungsdauer. Der Arbeitnehmer muss bereits seit längerer Zeit erkrankt sein. Die Erkrankungsdauer ist ein Indiz dahingehend, dass die Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft fortdauern wird. Die Indizwirkung sah das Bundesarbeitsgericht im Fall einer seit über 20 Monaten durchgehenden Arbeitsunfähigkeit als gegeben an.
Eine Ungewissheit über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht dem Fall einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung gerechnet werden kann. Für einen Zeitraum von 24 Monaten kann der Arbeitgeber, so das Bundesarbeitsgericht, einen anderen Arbeitnehmer gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG befristet einstellen.
BAG, Urteil vom 13.05.2015 – 2 AZR 565/14
Von erheblicher Bedeutung ist in diesem Zusammenhang daher, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. Nur dann ist eine negative Gesundheitsprognose gerechtfertigt.
Dauernde Arbeitsunfähigkeit
Im Fall einer dauernden Arbeitsunfähigkeit ist ohne weiteres von einer negativen Gesundheitsprognose auszugehen. Die negative Prognose ist nach dem Bundesarbeitsgericht in diesen Fällen „indiziert“.
Auch hier ist der Arbeitgeber nach den allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet. Im Regelfall werden Arbeitgeber die dauernde Leistungsunfähigkeit nicht beweisen können. Vielmehr werden sie versuchen, eine krankheitsbedingte Kündigung nach den Grundsätzen der ungewissen langandauernden Erkrankung zu rechtfertigen.
BAG, Urteil vom 12.07.2007 – 2 AZR 716/06
Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen
Durch die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Arbeitnehmers muss es zu erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen gekommen sein. In Betracht kommen insofern
(1) Betriebsablaufstörungen und
(2) wirtschaftliche Beeinträchtigungen
Das sind Betriebsablaufstörungen
Betriebsablaufstörungen sind dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung zu tragen, wenn es zu schwerwiegenden Störungen im Produktionsprozess kommt, denen nicht durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen begegnet werden kann. Vor allem bei häufigen kurzfristigen Ausfällen können solche Störungen auftreten. Beispiele:
- Produktionsausfälle
- Rückgang der Produktion
- Notwendigkeit der Einarbeitung von Ersatzpersonal
- Überlastung von Personal
- Abzug von Personal aus anderen Bereichen
- Mittelbare Wirkung auf andere Arbeitsbereiche
Wenn diese Störungen nicht durch mögliche und zumutbare Überbrückungsmaßnahmen verhindert werden können, sind sie im Grundsatz geeignet, eine Kündigung zu rechtfertigen. Als Überbrückungsmaßnahmen kommen insbesondere in Betracht die Einstellung von Aushilfskräften sowie der Einsatz einer Personalreserve. Sind solche Überbrückungsmöglichkeiten vorhanden, kann nicht von einer erheblichen Betriebsablaufstörung die Rede sein.
Gerade im Bereich der häufigen Kurzerkrankungen wird die Einstellung von Aushilfskräften aufgrund der Kurzfristigkeit der krankheitsbedingten Ausfälle nur selten als Überbrückungsmaßnahme in Betracht kommen. Anders sieht es hingegen bei langandauernden Erkrankungen aus, da der Arbeitgeber hier mehr Planbarkeit hat und durch (befristete) Einstellung einer Ersatzkraft die Betriebsablaufstörungen einschränken oder vermeiden kann.
BAG, Urteil vom 16.02.1989 – 2 AZR 299/88
Erhebliche Beeinträchtigungen durch wirtschaftliche Belastungen
Anerkannt ist zudem, dass auch wirtschaftliche Belastungen eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen darstellen können. Solche Belastungen führen dann zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, wenn auf der Grundlage der bisherigen negativen Gesundheitsprognose Entgeltfortzahlungskosten von jährlich mehr als sechs Wochen zu erwarten sind.
BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 755/13
Wenn der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält, um krankheitsbedingte Ausfallzeiten aufzufangen, ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu seinen Gunsten zu berücksichtigen.
Trotz Vorliegens erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen ist ein Kündigungsgrund aufseiten des Arbeitgebers nicht immer gegeben. Denkbar sind Fälle, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Unternehmen auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen kann, sodass keine betrieblichen Beeinträchtigungen mehr eintreten. Dies ist Ausfluss Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der das gesamte Kündigungsrecht durchdringt.
Interessenabwägung zu Ungunsten des Arbeitnehmers
Auf der dritten Stufe der Prüfung der Wirksamkeit der krankheitsbedingten Kündigung ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Hier prüfen die Arbeitsgerichte, ob für den Arbeitgeber die festgestellten erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls noch hinnehmbar sind oder zu einer Überforderung führen. Im Rahmen der Interessenabwägung sind alle wesentlichen Umstände des Falles zu berücksichtigen.
Betriebliche Ursache als Grund für Krankheit
An eine krankheitsbedingte Kündigung sind besonders strenge Maßstäbe zu stellen, wenn die Erkrankung eine betriebliche Ursache hat. Ein besonders anschauliches Beispiel hierfür ist der unverschuldete Betriebsunfall, der sich nur deshalb ereignet hat, weil der Arbeitgeber seinen insofern bestehenden Schutz- und Fürsorgepflichten nicht nachgekommen ist. Gleiches gilt für eine bestehende Berufskrankheit, an die sich eine langandauernde Arbeitsunfähigkeit oder häufige Kurzerkrankungen anschließen.
Störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses
Bei der Interessenabwägung ist insbesondere auch von Bedeutung, ob das Arbeitsverhältnis bisher störungsfrei verlaufen ist. Weitere wichtige Aspekte im Rahmen der Interessenabwägung sind
- das Alter des Arbeitnehmers,
- sein Familienstand,
- Unterhaltsverpflichtungen und eine ggf. vorhandene
- Schwerbehinderung.
BAG, Urteil vom 08.11.2007 – 2 AZR 292/06
Zumutbarkeit von Überbrückungsmaßnahmen durch Arbeitgeber
Auf dieser Prüfungsebene erstreckt sich der Umfang der Begutachten durch das Arbeitsgericht außerdem auch darauf, ob dem Arbeitgeber trotz erheblicher betrieblicher Beeinträchtigungen weitergehende Überbrückungsmaßnahmen zumutbar sind.
Wenn der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält, werden ihm in der Regel weniger Überbrückungsmaßnahmen zuzumuten sein. Anders könnte die Frage hingegen zu beurteilen sein, wenn der Arbeitgeber über keine Personalreserve verfügt. Dann könnte der Arbeitgeber weitergehend verpflichtet sein, durch organisatorische Maßnahmen oder Beschaffung von (weiterem) Ersatzpersonal die Ausfälle zu kompensieren.
BAG, Urteil vom 06.09.1989 – 2 AZR 19/89
Versetzung auf leidensgerechten Arbeitsplatz
Arbeitgeber sind verpflichtet, im Fall von krankheitsbedingten Ausfällen zu prüfen, ob eine Versetzung des Arbeitnehmers an einen Arbeitsplatz infrage kommt, wo sich seine Erkrankung nicht weiter auswirkt.
Eine krankheitsbedingte Kündigung kommt nur dann für den Arbeitgeber infrage, wenn auch bei einer Beschäftigung an anderer Stelle mit weiteren Erkrankungen zu rechnen ist. Vorrangig ist aber zu prüfen, ob der Arbeitnehmer auf einen „leidensgerechten Arbeitsplatz“ umgesetzt werden kann.
BAG, Urteil vom 19.05.2010 – 5 AZR 162/09
Störungen und hohe Entgeltfortzahlungskosten
Wenn neben Betriebsablaufstörungen der Arbeitgeber auch mit hohen Entgeltfortzahlungskosten belastet ist, sind dies Umstände, dies sein Interesse an einer Beendigung stärken. Auch außergewöhnlich hohe Entgeltfortzahlungskosten sind bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitgebers zu berücksichtigen.
Betriebliches Eingliederungsmanagement bei einer krankheitsbedingten Kündigung
Wenn die Arbeitsunfähigkeit innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen bestand, ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement zu führen. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen oder wiederholt im genannten Umfang eingetreten ist. Der Arbeitgeber ist dann nach § 167 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, unter Beteiligung der Arbeitnehmervertretung und Ihrer Person zu prüfen,
- wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann,
- mit welchen Leistungen oder Hilfen einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt
- und dadurch der Arbeitsplatz erhalten werden kann.
Keine Verpflichtung zur Teilnahme am bEM
Sie sind nicht dazu verpflichtet, am betrieblichen Eingliederungsmanagement teilzunehmen. Wenn Sie allerdings nicht teilnehmen, wird der Arbeitgeber nicht beurteilen können, wie Ihre Arbeitsunfähigkeit überwunden und erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Im Fall einer sich anschließenden krankheitsbedingten Kündigung wird der Arbeitgeber sich darauf berufen können, dass er seine Schuldigkeit getan hat. Denn er hat – zumindest dem äußeren Anschein nach – versucht, Ihnen die Hand zu reichen.
Keine Unwirksamkeit der Kündigung bei fehlendem bEM
Rechtlich spannend ist die Situation, in der der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchführt. Führt dies zur unheilbaren Nichtigkeit der Kündigung? Nein, das ist nicht der Fall. Die krankheitsbedingte Kündigung wird als Fallgruppe der personenbedingten Kündigung nach Maßgabe von § 1 KSchG beurteilt. Das betriebliche Eingliederungsmanagements ist keine formelle oder materielle Wirksamkeitsvoraussetzung für die krankheitsbedingte Kündigung.
Jedoch erhöhen sich für den Arbeitgeber die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast. Dazu das Bundesarbeitsgericht:
Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist kein bloßer Programmsatz.
Erhöhte Darlegungs- und Beweislast beim Unterlassen des bEM
Beim Unterlassen des betrieblichen Eingliederungsmanagements kann sich der Arbeitgeber nicht darauf zurückziehen, dass es keine der Erkrankung des Arbeitnehmers angemessenen Einsatzmöglichkeiten gegeben habe. Die krankheitsbedingte Kündigung wird wie alle anderen Kündigungen auch am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beurteilt. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber darlegen muss, dass es keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses gab als die Kündigung.
BAG, Urteil vom 18.10.2017 – 10 AZR 47/17
Unterlässt der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement, muss er zusätzlich die objektive Nutzlosigkeit des betrieblichen Eingliederungsmanagements darlegen. Hierzu das Bundesarbeitsgericht:
Der Arbeitgeber hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer gegebenenfalls außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz in Betracht kommen.
BAG, Urteil vom 20.03.2014 – 2 AZR 565/12
Was Sie für sich daraus mitnehmen können
Sie sehen also, dass die Hürde des Arbeitgebers bei Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements deutlich höher wird. Sie sollten daher Zweifel an der Wirksamkeit Ihrer Kündigung haben, wenn der Arbeitgeber Ihnen kein Eingliederungsmanagement angeboten hat.
Was Sie gegen die krankheitsbedingte Kündigung tun können
Wenn Sie eine krankheitsbedingte Kündigung erhalten haben, Sind Ihre Möglichkeiten beschränkt. Im Prinzip reduzieren sich Ihre Optionen auf zwei Alternativen: (1) Sie können gegen die Kündigung nichts unternehmen. (2) Oder aber Sie legen eine Kündigungsschutzklage ein.
Wenn Sie gegen die krankheitsbedingte Kündigung nichts unternehmen, dann beendet sie das Arbeitsverhältnis zum vorgesehenen Termin. Möchten Sie sich gegen die Kündigung hingegen zur Wehr setzen, dann müssen Sie Kündigungsschutzklage einlegen. Dafür haben Sie nach Zugang der Kündigung nur drei Wochen Zeit. Danach können Sie nicht mehr mit Erfolg gegen die Kündigung vorgehen – das Gesetz unterstellt deren Wirksamkeit. Deswegen ist die Drei-Wochen-Frist eine der wichtigsten Anwaltsfristen im Arbeitsrecht.
Die Kündigungsschutzklage können Sie selbst bei der Rechtsantragsstelle des für Ihren Fall zuständigen Gerichts einlegen. Sie können sich aber auch durch einen Anwalt vertreten lassen. Dieser würde dann auch die Kündigungsschutzklage für Sie vorbereiten. Wie Sie sich hier entscheiden, ist vor allem eine Frage der Kosten und des Nutzens. Und natürlich Ihrer Interessen.
Nach Einlegung der Kündigungsschutzklage wird das Gericht einen Termin zur Güteverhandlung anberaumen. Dieser Termin dient dazu herauszufinden, ob Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber gütlich einigen können. Ist das nicht der Fall, dann wird das Verfahren streitig weitergeführt. Mit Schriftsätzen, einer sich anschließenden Kammerverhandlung mit Urteil.
Eine Einigung ist aber durchaus in jeder Phase des Verfahrens möglich. Die Mehrzahl der Kündigungsschutzverfahren endet durch Vergleich und nicht durch Urteil – auch noch im Kammertermin. Und nicht selten erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung.
Wann eine Klage gegen krankheitsbedingte Kündigung Sinn macht – die Sache mit der Abfindung
Zum Abschluss benötigen Sie noch einen Anhaltspunkt, wann es sich für Sie lohnt, gegen die krankheitsbedingte Kündigung vorzugehen. Nun, die Beantwortung dieser Frage ist nicht so leicht. Sie ist primär von Ihrer Interessenlage abhängig und damit häufig von einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung. In dem Fall, in dem Sie Ihren Arbeitsplatz auf keinen Fall verlieren möchten, fällt die Entscheidung leicht: Klagen Sie, wirtschaftliche Aspekte spielen keine Rolle für Sie.
Kündigungsschutzklage auch bei Beendigungswunsch sinnvoll?
Anders sieht es hingegen aus, wenn Sie innerlich bereits mit dem Arbeitgeber abgeschlossen haben. Die Kündigung einfach in Wirksamkeit erstarken zu lassen, kann für Sie eine teure Angelegenheit sein. Denn der Arbeitgeber weiß schließlich nichts von Ihrem Trennungswunsch. Er muss vielmehr davon ausgehen, dass Sie Ihren Arbeitsplatz zurückerhalten möchten. Hierauf ist eine Kündigungsschutzklage in Deutschland auch gerichtet – den Wiedererhalt des Arbeitsplatzes.
Wenn Sie in dieser Situation keine Kündigungsschutzklage einlegen, verspielen Sie womöglich viel Geld. Wie Sie sicher bereits wissen, haben Sie grundsätzlich keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung. Trotzdem sind Vergleiche mit Abfindungszahlung beim Arbeitsgericht Gang und Gäbe. Die dahinter stehende Motivlage ist einfach: Der Arbeitgeber weiß nicht zu 100 Prozent, ob seine Kündigung wirksam ist und das Arbeitsverhältnis daher beendet. Deshalb ist er bereit, sich hundertprozentige Gewissheit zu verschaffen. Nämlich durch die Zahlung einer Abfindung gegen rechtssichere Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Aussicht auf eine Abfindung bei krankheitsbedingter Kündigung
Abseits der klaren Konstellationen von wirksamer krankheitsbedingter Kündigung ist häufig Raum für eine Abfindung. Denn das Bundesarbeitsgericht entscheidet immer nur bestimmte Fälle. Liegt Ihr Fall nur etwas anders, kann dies weitreichende rechtliche Konsequenzen haben. Eine Klage macht aus diesem Grund unter Umständen auch dann Sinn, wenn Sie kein Interesse mehr daran haben, zur Arbeit zu erscheinen.
Ob Sie mit Ihrer Angelegenheit einen Anwalt beauftragen oder das Verfahren in der ersten Instanz selbst führen, ist eine Abwägungsfrage. Ein Anwalt für Arbeitsrecht ist nicht günstig. Dafür führt er das Verfahren von vorne bis hinten, befreit Sie von dem Stress und hat Verhandlungserfahrung. Die Kosten seiner Beauftragung dürfte ein Anwalt im Regelfall einbringen.